Freitag, 7. November 2025
Vergangenheitsbewältigung?

Warum Deutsche wieder rechts wählen – und was das mit uns zu tun hat
Deutschland hat erlebt, wohin Hass, Nationalismus und Führerkult führen. Und doch gewinnt die AfD Stimmen, obwohl ihre Funktionäre immer offener rassistische, autoritäre und antidemokratische Positionen vertreten.
Wie kann das sein – in einem Land, das sich „Nie wieder“ auf die Fahnen schreibt?

Geschichtsvergessenheit
Für viele ist der Nationalsozialismus nur noch ein Kapitel im Schulbuch. Der Bezug zur Erfahrung von Diktatur, Krieg und Vernichtung ist verloren gegangen.
Wenn Geschichte nicht mehr als Warnung, sondern nur als Pflichtstoff behandelt wird, verblasst das Bewusstsein dafür, wie zerbrechlich Demokratie ist.
Das Wissen um den Holocaust, um Hitlers Machtergreifung und die Zerstörung der Republik ist zwar dokumentiert, aber oft emotional nicht mehr verankert.
So kann der Satz „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ wieder gesellschaftsfähig werden.

Das Gefährlichste ist die Vergesslichkeit der Gesellschaft.
> Hannah Arendt, 1951

Wut, Angst, Enttäuschung
Viele AfD-Wähler fühlen sich abgehängt oder ignoriert.
Steigende Preise, Zukunftsängste, soziale Ungerechtigkeit – all das schafft Frust. Die AfD bietet einfache Antworten und klare Feindbilder: „die Ausländer, die Grünen, die EU, die Eliten“.
Das ist keine Politik, sondern emotionale Entlastung.
Wer Angst hat, will einfache Schuldige – nicht komplexe Lösungen.
Die Partei lebt davon, dass Menschen glauben, Demokratie sei etwas, das andere für sie erledigen.

Wo alle Schuld sind, ist keiner schuldig.
> Max Frisch, 1958

Autoritäre Sehnsucht
Manche sehnen sich nach „Ordnung und Führung“.
In Krisenzeiten wächst der Wunsch nach klaren Ansagen – auch wenn sie von oben kommen.
Demokratie wirkt dagegen anstrengend, laut, widersprüchlich.
Aber genau das ist ihre Stärke: Widerspruch statt Unterwerfung.
Wer „endlich wieder Durchgreifen“ will, öffnet der Willkür die Tür.
Das wusste schon Theodor W. Adorno, als er schrieb:

Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung.
> Theodor W. Adorno, 1966

Protestwahl und Selbsttäuschung
Viele sagen: „Ich wähle AfD, um den anderen einen Denkzettel zu verpassen.“
Doch so fing es schon einmal an.
Auch in der Weimarer Republik glaubten viele, sie könnten die Nationalsozialisten „mal ausprobieren“.
Sie wollten es den Eliten zeigen – und zerstörten dabei die Demokratie, die sie eigentlich retten wollten.

Erst wenn wir verloren haben, begreifen wir, was wir hatten.
> Erich Kästner

Demokratieschwäche
Wenn demokratische Parteien ihre Versprechen nicht halten, entsteht Misstrauen.
Soziale Ungleichheit, abgehobene Politik, gebrochene Versprechen – all das schafft den Nährboden für Populisten.
Die AfD ist kein Fremdkörper in unserer Gesellschaft, sie ist ein Symptom unserer Versäumnisse.
Die Demokratie stirbt nicht an einem Putsch, sondern an Gleichgültigkeit.
Die größte Gefahr für die Demokratie ist nicht der Hass ihrer Feinde, sondern die Gleichgültigkeit ihrer Freunde.

Desinformation und digitale Echokammern
Über Telegram, YouTube oder TikTok verbreiten AfD-nahe Akteure gezielt Falschinformationen.
Sie schaffen alternative Realitäten, in denen demokratische Institutionen als „korrupt oder „gesteuert“ gelten.
Die Desinformation ersetzt Diskussion – und Empörung ersetzt Erkenntnis.
Laut einer Studie der Stiftung Neue Verantwortung (2023) glauben fast 40 % der AfD-Wähler regelmäßig Inhalte aus Desinformationskanälen in sozialen Medien.
Das ist keine Randerscheinung, sondern eine neue Form digitaler Propaganda.

Fazit
Heute wiederholt sich das Muster: Wut ersetzt Verantwortung. Wer Protest wählt, stärkt die, die das System abschaffen wollen.
Die AfD wird nicht gewählt, weil die Menschen Hitler vergessen haben – sondern weil sie nicht erkennen, dass dieselben Denkweisen zurückkehren.
Wenn Erinnerung keine Haltung bleibt, sondern bloß Geschichte wird, ist „Nie wieder“ nur noch eine Floskel. Demokratie lebt nicht von Symbolen, sondern von Bildung, sozialer Sicherheit und echter Beteiligung.
Das ist die Lehre, die wir neu lernen müssen – bevor es wieder zu spät ist.

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Die Rentendiskussion

Kontroverse Rentendebatte
Im Jahr 2025 steigen die Steuerabgaben für die Rentner:innen auf 62,7 Milliarden €.
Auf Basis des Grundfreibetrags bleiben viele Rentner:innen, durch eine niedrige Rente zwar steuerfrei – doch der Staat nimmt dennoch jedes Jahr hohe, zweistellige Milliardenbeträge durch die Rentenbesteuerung ein, da die Renteneinkünfte vieler Rentner:innen über den Grundfreibetrag liegen.
Trotz dieser in die Steuerkasse zurückfließenden Milliardensummen heißt es, die gesetzliche Rentenversicherung müsse durch zusätzliche Steuermittel aus der Bundeskasse „gerettet und aufgestockt“ werden.
Es wird in der Politik und in den Medien ein Eindruck verfestigt, als wäre die Rente ein Fass ohne Boden, das den Bundeshaushalt massiv belastet.

Verschleierung
Doch das greift zu kurz und verschleiert bewusst die Realität. Denn der Bund belastet die Rentenkasse seit Jahren mit den Versicherungsfremden Leistungen (VFL) - sogenannte nicht beitragsgedeckte Leistungen. Das sind Rentenzahlungen, die nicht durch eigene Beiträge der Empfänger:innen finanziert wurden.
Dazu gehören beispielsweise:
> Die Mütterrente, die Kindererziehungszeiten anerkennt
> Der Grundrentenzuschlag für langjährige Geringverdiener
> Renten für Zeiten, in denen Menschen aus gesellschaftlichen oder politischen Gründen nicht arbeiten konnten (z. B. DDR-Rentenansprüche)
Also Aufgaben, die eigentlich aus Steuermitteln zu finanzieren wären, da sie mit der Rente im engeren Sinne gar nichts zu tun haben.
Tatsächlich werden diese Gelder für die VFL aus den Rentenbeiträgen aller gesetzlich Versicherten entnommen und gleichzeitig als „staatliche Zuschüsse“ dargestellt – eine buchhalterische Nebelkerze.
Auch tauchen die Milliardenbeträge, die Rentner:innen über ihre Einkommensteuerzahlungen für die Renten und Betriebsrenten, die über den Grundfreibetrag liegen an den Bund zurückzahlen müssen, in keiner Gesamtbewertung für die DRV auf.
Für eine ehrliche Bewertung der Belastungslage müssen die Steuereinnahmen durch die Rentenbesteuerung 62,7 Milliarden €, in eine Gesamtbilanz einfließen, ebenso die Versicherungsfremden Leistungen (75,4 Milliarden €), die der Bund aus Beiträgen der gesetzlich Versicherten Rentner:innen zweckentfremdet.
Für das Jahr 2025 beträgt der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung rund 121 Milliarden €. Das klingt zunächst nach einer gewaltigen Entlastung – tatsächlich aber ist es eine Milchmädchenrechnung. Warum?

Fazit
Die Rentenempfänger:innen selbst tragen - neben ihren Beitragszahlungen - über verschiedene Wege deutlich -zur Finanzierung der Renten bei.
> Die Einkommensteuer der Rentner:innen: rund 62,7 Milliarden €.
> Zweckentfremdete Entnahme von Versicherungsbeiträgen - durch den Bund, das sind die VFL: rund 75,4 Milliarden €.
Das ergibt zusammen 138,1 (62,7 + 75,4) Milliarden €, die der Bund aus Steuern und Rentenbeiträgen der Rentner:innen entnimmt, um nicht zu sagen veruntreut. Diese Summe gehört den Rentner:innen der Deutschen Rentenversicherung (DRV).
Dem gegenüber steht der Bundeszuschuss von 121 Milliarden €. Dieser Betrag wird politisch und von einschlägigen Medien so dargestellt, dass der Staat damit - ausschließlich aus Steuergeldern - die DRV saniert.
Eine Einnahmen-Ausgaberechnung zeigt das Gegenteil auf:
im Umkehrschluss, subventionieren die Rentner:innen den Bundeshaushalt 2025 - mit etwa 17, 1 Milliarden (138,1-121 €), durch die VFL und Steuerzahlungen.
Mit anderen Worten: Der Bund gibt sich als Retter der Rentenversicherung, bedient sich aber gleichzeitig großzügig aus deren Kasse – und das auf Kosten der Rentner:innen.
Wer behauptet, die Rente „belaste“ den Bundeshaushalt, verdreht Ursache und Wirkung. Man könnte es auch Plünderung der Rentenkasse, durch die Bundesregierung, bezeichnen.

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