Speziell Rentnerinnen und Rentner werden aufatmen, wenn der Plan der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG) umgesetzt und die Abgabepflicht der Steuererklärung für Rentner*innen abgeschafft wird. Das scheint zwingend notwendig, da für viele Menschen dieses Personenkreises die Bedingungen für die verpflichtende, jährliche Steuererklärung (analog wie digital) schwer überschaubar sind.
Die ältere Generation scheint in der digitalen Welt ohnehin nur noch ein biologisches Problem zu sein und wird teilweise hilflos sich selbst überlassen.
Digitalisierung und Zukunft
Behörden, Finanzinstitute und Unternehmen verlagern immer mehr Dienstleistungen ins Netz. Was unter dem Label „Effizienz“ oder „Modernisierung“ verkauft wird, ist zwar für die Zukunft unabwendbar, hat jedoch aktuell eine Kehrseite:
Wer offline lebt oder nur begrenzt digital kompetent ist, wird abgehängt. Gerade Seniorinnen und Senioren, die in einer analogen Welt aufgewachsen sind, haben oft keinen natürlichen Zugang zu digitalen Verfahren. Statt Unterstützung und Verfahrenserleichterung erleben sie allzu häufig das Gegenteil - Bürokratiehürden, Frust und Mahnverfahren.
Digital abgehängt
Viele - nicht nur - ältere Menschen, hoffen auf die automatisierte Steuererklärung. Besonders Rentnerinnen und Rentner könnten davon profitieren.
Für Ältere ist die jährlich wiederkehrende Pflicht zur Steuererklärung eine kaum noch zu bewältigende Herausforderung.
Gerade die Babyboomer-Generation ächzt unter der fortschreitenden Digitalisierung – nicht nur in der Steuerverwaltung und den Behörden- auch der Finanzdienstsektor ist massiv davon betroffen. Manuelle Dienste sowie Beratung vor Ort werden in den (noch vorhandenen) Filialen der Finanzdienstleister immer mehr eingeschränkt.
Unsichtbar gemacht
Die „digitale Inklusion“ scheitert meist in der Praxis. Politik und Verwaltung gehen stillschweigend davon aus, dass im sozialen Umfeld älterer Menschen (Kinder, Enkelkinder, Freunde) genügend digitale Kompetenz vorhanden ist, um zu helfen. Diese Annahme ist bequem – und gefährlich. Denn nicht alle haben Familie, nicht alle haben Unterstützung, nicht alle können oder möchten sich Hilfe holen.
Wer keine Hilfe bekommt, bleibt auf der Strecke. Das führt zur paradoxen Situation, dass in einem Sozialstaat, der auf Teilhabe zielt, ausgerechnet die Schwächeren den Zugang zu öffentlichen Leistungen verlieren. Im Umkehrschluss fördert diese Entwicklung populistische Parteien – wie die AfD – mit ihren Heile-Welt-Versprechen.
Wenn die Gesellschaft dich aus den Augen verliert
Der Eindruck, den viele ältere Menschen zunehmend empfinden: Sie werden vernachlässigt. Ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten spielen bei der Gestaltung bürokratischer (digitaler) Prozesse kaum eine Rolle. Statt aktiver Teilhabe bleibt ihnen oft nur noch die Zuschauerrolle – oder eben das stille Aufgeben.
Die gesellschaftliche Botschaft dahinter ist fatal: Du bist alt – und in der digitalen Welt nur noch ein Hemmschuh.
Das ist nicht nur menschenverachtend, sondern auch demokratieschädlich. Denn wer sich ausgeschlossen fühlt, verliert Vertrauen in Staat und Gesellschaft. Und genau dieses Vertrauen ist das Fundament jeder solidarischen Demokratie.
Automatisierung als Chance
Die von der DSTG geforderte automatisierte Steuererklärung könnte ein wichtiger Schritt in die richtigen Richtung sein, ist aber kein Allheilmittel. Sie verspricht Entlastung und mehr Gerechtigkeit – gerade für jene, die sich nicht (mehr) selbst durch den digitalen Dschungel kämpfen können, ist Automatisierung allein, löst nicht das Grundproblem.
Es braucht endlich ein digitales Denken, das Inklusion ernst nimmt:
> barrierefreie Systeme
> echte Alternativen zum digitalen Weg
> niedrigschwellige Unterstützung vor Ort
> Schulungen und Begleitung statt Zwangsdigitalisierung
Fazit
Digitale Teilhabe ist ein Menschenrecht. Digitalisierung darf ebenso kein Ausschlusskriterium sein, wie finanzielle Sicherheit.
Wer ein solidarisches Gemeinwesen will, muss alle mitnehmen – gerade die, die sich nicht lautstark bemerkbar machen (können).
Die Politik muss begreifen: Es geht um Teilhabe und um die Würde von Millionen älterer Menschen. Diese beiden Menschenrechte, werden durch die „genialen Ideen“ unserer Sozialwissenschaftler, mit dem sogenannten “Boomer-Soli" und der Aktivrente widerlegt.
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