Speziell Rentner*innen werden aufatmen, wenn der Plan der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG) umgesetzt und die Steuererklärung für Rentner*innen abgeschafft wird. Das ist zwingend notwendig - unter dem für ältere Personen - immer komplexer werdenden digitalen Bedingungen.
Die ältere Generation scheint in der digitalen Welt nur noch ein biologisches Problem zu sein und wird teilweise hilflos sich selbst überlassen.
Digitalisierung und Zukunft
Behörden, Finanzinstitute und Unternehmen verlagern immer mehr Dienstleistungen ins Netz. Was unter dem Label „Effizienz“ oder „Modernisierung“ verkauft wird, ist für die Zukunft unabwendbar, hat jedoch aktuell eine Kehrseite:
Wer offline lebt oder nur begrenzt digital kompetent ist, wird abgehängt. Gerade ältere Menschen, die in einer analogen Welt aufgewachsen sind, haben oft keinen natürlichen Zugang zu digitalen Verfahren. Statt Unterstützung erleben sie allzu häufig Bürokratiehürden, Frust und Mahnverfahren.
Digital abgehängt
Viele Rentner*innen hoffen auf die automatisierte Steuererklärung.
Wenn es nach der DSTG geht, soll die Steuererklärung künftig (vorgesehen ab 2026) weitgehend automatisiert ablaufen. Besonders Rentner*innen könnten davon profitieren – denn für viele ist die jährlich wiederkehrende Pflicht zur Steuererklärung, eine kaum noch zu bewältigende Herausforderung.
Gerade die ältere Generation ächzt unter der fortschreitenden Digitalisierung – nicht nur in der Steuerverwaltung.
Was für Jüngere selbstverständlich ist, wird für viele Ältere zur Stolperfalle: Authentifizierungs-Apps, ELSTER-Zugang, PDF-Formulare, Passwörter, Zwei-Faktor-Identifikation. Der Alltag wird zum Hindernisparcours, mit unüberschaubaren Hürden.
Unsichtbar gemacht
Die „digitale Inklusion“ scheitert in der Praxis. Politik und Verwaltung gehen stillschweigend davon aus, dass im sozialen Umfeld älterer Menschen (Kinder, Enkelkinder, Nachbarn) genügend digitale Kompetenz vorhanden ist, um zu helfen. Diese Annahme ist bequem – und gefährlich. Denn nicht alle haben Familie, nicht alle haben Unterstützung, nicht alle können oder möchten sich Hilfe holen.
Wer keine Hilfe bekommt, bleibt auf der Strecke. Das führt zur paradoxen Situation, dass in einem Sozialstaat, der auf Teilhabe zielt, ausgerechnet die Schwächeren den Zugang zu öffentlichen Leistungen verlieren.
Wenn die Gesellschaft dich aus den Augen verliert
Der Eindruck, den viele ältere Menschen zunehmend empfinden: Sie werden vernachlässigt. Ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten spielen bei der Gestaltung digitaler Prozesse kaum eine Rolle. Statt aktiver Teilhabe bleibt ihnen oft nur noch die Zuschauerrolle – oder eben das stille Aufgeben.
Die gesellschaftliche Botschaft dahinter ist fatal: Du bist alt – und in der digitalen Welt nur noch ein Hemmschuh.
Das ist nicht nur menschenverachtend, sondern auch demokratieschädlich. Denn wer sich ausgeschlossen fühlt, verliert Vertrauen in Staat und Gesellschaft. Und genau dieses Vertrauen ist das Fundament jeder solidarischen Demokratie.
Automatisierung als Chance
Die von der DSTG geforderte automatisierte Steuererklärung könnte ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung sein, ist aber kein Allheilmittel. Sie verspricht Entlastung und mehr Gerechtigkeit – gerade für jene, die sich nicht (mehr) selbst durch den digitalen Dschungel kämpfen können. Doch Automatisierung allein löst nicht das Grundproblem.
Es braucht endlich ein digitales Denken, das Inklusion ernst nimmt:
> barrierefreie Systeme
> echte Alternativen zum digitalen Weg
> niedrigschwellige Unterstützung vor Ort
> Schulungen und Begleitung statt Zwangsdigitalisierung
Fazit
Digitale Teilhabe ist ein Menschenrecht. Digitalisierung darf aber kein Ausschlusskriterium sein.
Wer ein solidarisches Gemeinwesen will, muss alle mitnehmen – gerade die, die sich nicht lautstark bemerkbar machen.
Die Politik muss begreifen: Es geht nicht um Technik. Es geht um Teilhabe. Und um die Würde von Millionen älterer Menschen.
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